Dein Hund „funktioniert“ nicht (immer) so, wie er soll?
Er bellt vielleicht draußen alles an, was sich bewegt, ist sehr ängstlich oder in neuen Umgebungen in seiner eigenen Welt und nicht bei dir unterwegs? Sitz, Platz und Bleib oder Laufen ohne Leine gehen nicht oder nicht immer zuverlässig?
Bei Fotoreportagen, wie ich sie mache, ist das alles überhaupt kein Problem und im nachfolgenden Artikel erkläre ich dir auch wieso.
Über die 6. Folge unseres Podcasts „Roaming Wild“
In Folge 6 von Roaming Wild sprechen Sarah und ich darüber, wie wir beim Fotoshooting mit Hunden umgehen, die nicht den hohen gesellschaftlichen Erwartungen von stets angepasst und unauffällig entsprechen. Denn wir werden häufig schon fast entschuldigend gefragt, ob ein Fotoshooting auch möglich ist, wenn der Hund reaktives Verhalten zeigt, ängstlich ist, oder der Mensch denkt, dass sein Hund sowieso keinen Bock hat mitzumachen.
Wir möchten dir dort gerne aus persönlichen und natürlich auch beruflichen Gründen den Druck nehmen, dass dein Hund im Alltag oder bei einem Shooting immer zu 100% funktionieren muss und berichten auch von unseren eigenen Erfahrungen mit unseren Hunden. Denn auch die laufen nicht alle im Alltag einfach so mit. Wir sind also genauso leidgeprüft wie du vielleicht auch.
Wir haben uns für dieses wichtige Thema in der Folge auch Unterstützung ins Boot geholt: Pia Delfau von Wegbegleiter (http://www.wegbegleiter-mensch-hund.de). Pia ist Psychologin, bietet ein entsprechendes Coaching für Menschen mit Hund an und hat selbst zwei sehr herausfordernde Hunde, von denen sie in dieser Folge erzählt. Außerdem gibt sie dir auch gleich noch ein paar Tipps mit, was du tun kannst, um mit dem Stress, den man als Hundebesitzer*in aufgrund der eigenen Erwartungshaltung aber auch aus gesellschaftlichem Druck heraus oft hat, besser umgehen zu können.
Es lohnt sich also, hör unbedingt mal rein:
Roaming Wild: Hunde mit Special Effects fotografieren wir am liebsten
Was sind Hunde mit Special Effects?
Hunde mit Special Effects sind für ihre Besitzer*innen herausfordernder als diejenigen, die im Alltag unauffällig „einfach so mitlaufen“. Oft werden sie auch als „Problemhunde“ betitelt. Dieses Wording habe ich bewusst nicht gewählt, da es mir zu negativ behaftet ist. In aller Regel sind diese Hunde nicht das Problem, sondern sie haben ein Problem. Und in der Bewältigung brauchen sie Hilfe: in Form von Unterstützung ihrer Menschen und in bestem Fall eine*r fachlich gut ausgebildeten Hundetrainer*in.
Für mich fallen darunter:
- Reaktive Hunde: Hunde, die auf bestimmte Reize in einer Art und Weise reagieren, die wir als Menschen störend empfinden: z.B. im Umgang mit anderen Hunden oder Menschen, Verkehr, etc. bellen, knurren, hinrennen und stellen oder jagen, aggressives Verhalten mit Beschädigungsabsicht zeigen, etc.
- Ängstliche Hunde: Hunde, die z.B. in fremden Umgebungen, bei fremden Menschen oder bei gewissen Geräuschen mit Furcht oder Angst reagieren und sich dann entweder zurückziehen, einfrieren oder nach vorne gehen (siehe auch die 4 F’s im Blogartikel: Achtsam mit Hund (und Mensch) beim Fotoshooting)
- Stark jagdlich ambitionierte Hunde: Hunde, die nicht abgeleint werden können, weil sie sonst direkt weg sind und die in wildreichen Gebieten stark abgelenkt sind und unter Stress stehen.
- “Desinteressierte” bzw. sehr eigenständige Hunde: Hunde, die lieber ihr eigenes Ding machen und sich ggf. nur schlecht zur Kooperation motivieren lassen, gerade wenn sie den Sinn in der Sache nicht sehen, die der Mensch von ihnen möchte. Haben oft per se auch selbst gar nicht unbedingt ein Problem, aber die Besitzer fürchten, dass dann ein Fotoshooting keinen Sinn macht, wenn der eigene Hund draußen nicht kuschen will und seinen eigenen Hobbies nachgeht…;)
Der Weg ist oft lange und mühsam um dahin zu kommen, dass Besitzer*in und Hund einen gemeinsamen Weg finden, der für beide funktioniert. Und bei manchen wird es auch immer ein wachsames Auge und Managementmaßnahmen bedürfen.
Und gleichzeitig sind diese Hunde genauso liebenswert wie all die anderen „unkomplizierten“. Es sind eben Lebewesen und keine Maschinen. Mit eigenen Motivationen, Bedürfnissen und Lernerfahrungen.
Wenn du einen solchen Hund hast, hast du vielleicht schon viel Zeit und Kraft in Training gesteckt, hast Einschränkungen in deinem Alltag in Kauf genommen und versucht deinem Hund und dir bestmöglich zu helfen.
Und gerade dann hast du es auch verdient, dass man eure Beziehung zueinander fotografisch einfängt: nämlich auch all die Momente, wo du einfach glücklich bist mit deinem Hund, egal wie schwer oder stressig es manchmal ist. Wenn er dich zum Lachen bringt, ihr die Stille in der Natur genießt oder gemeinsam Abenteuer erlebt.
Ich weiß wie es ist einen herausfordernden Hund zu haben
Probleme mit Hundebegegnungen
Mein eigener Hund, Coby, ist ein Tierschutzhund und hat seit jeher Schwierigkeiten mit Hundebegegnungen. Nicht mit allen, aber mit den meisten. Und er hat gelernt, dass er sich viele davon vom Hals halten kann, wenn er einfach schon mal frei nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“ 50 Meter nach vorne stürmt und dem anderen lautstark Bescheid sagt, dass er ihn kacke findet.
Muss ich nicht erzählen, dass mir das auch immer total peinlich war, oder? 🙈
Und dass ich mich, gerade wenn dann noch andere Menschen in der näheren Umgebung waren, auch immer irgendwie genötigt gefühlt habe, ihn zu maßregeln, damit die Leute auch sehen, dass mir das nicht egal ist und ich was dagegen tue.
Es hat Jahre gedauert, bis ich meine Strategie geändert habe (mehr dazu im Blogartikel Achtsam mit Hund (und Mensch) beim Fotoshooting) und obwohl wir heute auch an der Leine an anderen Hunden vorbei gehen können, knallt es immer wieder mal, wenn
- es einfach eine Hundebegegnung zu viel war,
- der andere dann doch zu lange in unsere Richtung gestarrt hat,
- es Coby zu eng ist
- oder ich einen schlechten Tag habe und einfach nicht gut genug aufpasse.
Und während ich dann den anderen weiterziehen lasse und meinen pöbelnden Hund an der Leine habe, versuche ich durchzuatmen und nicht unfair zu ihm zu werden, weil das ja eh schon eine blöde Situation für ihn war. Und wenn sich mein kleiner Spinnkopf dann nach etwas Abstand zum anderen Hund, wieder zu mir umorientieren kann und mich erwartungsvoll ansieht, weil er sich doch jetzt brav hingesetzt hat, dann bekommt er nach ein paar Sekunden auch einen Keks.
Und ich weiß, dass jeder, der uns beobachtet und nicht viel Ahnung von Hundetraining hat, vermutlich denkt, ich hab sie nicht alle. Da belohne ich den auch noch für sein Verhalten. Aber ich weiß dann eben sehr genau, warum die Situation gerade zu schwierig war, was ich beim nächsten Mal besser machen kann und wie großartig es ist, dass mein Hund so schnell wieder ansprechbar ist. Denn früher war das eben völlig anders.
Geräuschangststörung und was die mit meinen Energiereserven macht
Nebst dieser Thematik begleitet uns auch eine generalisierte Geräuschangst von Coby, die meinen Alltag oft belastend macht, mich in einigen Themen stark einschränkt und viel Management und Social Support für ihn bedarf. Und es wäre glatt gelogen, wenn ich behaupten würde, das geht spurlos an mir vorbei.
Es gibt Tage, da sind auch meine eigenen Akkus einfach leer. Da fehlt auch mir die Geduld, den Hund zu trösten, der sich schon wieder über vermeintlich Nichts aufregt. Und dann kann ich Coby zum Glück zu tollen Freunden geben um selbst ein bisschen runterzufahren und irgendwas zu tun, was vor allem mir selbst gut tut. Ohne mir permanent Gedanken um den kleinen Angsthasen machen zu müssen. 🧡
Dieser Hund ist mein Ein und Alles, und gleichzeitig tut es manchmal gut, einen Tag Pause voneinander zu haben. Um in Ruhe etwas Essen zu gehen, einen Film zu schauen oder einen Wellnesstag einzulegen. Und das kann ich auch jedem nur empfehlen, der einen herausfordernden Hund hat.
Einblicke in das Shooting mit Zora – eine reaktive Hündin mit Deprivationssysndrom
Hier im Blogartikel siehst du Bilder vom Fotowalk mit Zora.
Bevor wir auf das gemeinsame Fotoshooting losgezogen sind, haben wir natürlich telefoniert und ausführlich alles besprochen, was ich im Bezug auf Zora wissen muss und was sich Pia für Bilder wünscht, damit ich dann für die beiden optimal planen konnte.
Zoras Entwicklungsstörung
Zora ist Pia’s Kurzhaar Collie Hündin aus zweiter Hand. Sie hat ein Deprivationssyndrom, da sie ihre ersten Lebensmonate fast ausschließlich eingesperrt in einer Box verbracht hat. Durch diesen Mangel an Umwelt- und Sozialreizen in den so wichtigen frühen Entwicklungsphasen konnte sich ihr Gehirn nicht so entwickeln wie bei gesunden Hunden, man spricht hier von einer Entwicklungsstörung.
Hunde wie Zora können neue Eindrücke und viele Reize nur schlecht verarbeiten und reagieren dann „unverhältnismäßig“ darauf. Pia schildert es im Podcast auch sehr eindrücklich: Zora hing vor allem anfangs schreiend und kreiselnd in der Leine, wenn sie z.B. andere Hunde gesehen hat, und war in fremden Umgebungen hochgradig gestresst und überfordert.
Durch einen achtsamen Umgang und viel Training sind diese Themen heute nicht mehr (so lautstark) präsent, begleiten Pia und Zora aber dauerhaft, da sich so eine versäumte Entwicklung nur bedingt aufholen lässt.
Gestaltung des Fotowalks für einen reaktiven Hund
Dementsprechend war für unser Shooting besonders wichtig, dass wir eine ruhige Gegend finden, wo möglichst wenig Reize vorkommen.
Geeignete Locations habe ich dafür durchaus in petto. Aber natürlich befinden wir uns immer noch in Deutschland und nicht mitten im Nirgendwo in Norwegen. Dh. Komplett auszuschließen, dass wir jemandem begegnen, ist fast nicht möglich.
Was aber in der Kombination dann oft gut hilft, ist ausreichend Platz zum Ausweichen, sollten uns eben andere Spaziergänger, Mountainbiker oder andere Hunde über den Weg laufen.
All das ist auf meinem Fotowalk in der Südheide gegeben.
Um es noch sicherer zu machen, hilft auch die Jahreszeit oder den Tag entsprechend anzupassen. So war ich mit Pia im Dezember unterwegs. An einem eher grauen Tag mit teilweise leichtem Nieselregen.
Das ist vermutlich erstmal nicht die Jahreszeit, zu der du an ein Shooting gedacht hast, aber sie bringt viele Vorteile mit sich: im Winter ist draußen definitiv (noch) weniger los. Und die Temperaturen sind für die meisten Hunde deutlich angenehmer (wir vermeiden also zusätzlich Hitze-Stress, der die Zündschnur verkürzt).
Wenns nicht der Winter sein soll, dann reicht es oft auch schon außerhalb der Ferien und unter der Woche unterwegs zu sein um etwas mehr Ruhe zu haben.
Warum das Konzept der Fotowalks und Fotowanderungen für herausfordernde Hunde besonders gut geeignet ist
Zudem bietet mein Konzept der Fotowalks und Fotowanderungen aufgrund der Art des Shootings noch weitere Vorteile für Hunde mit Special Effects:
Gerade für diese Hunde sind Reportagen besser geeignet als in einem fest definierten Zeitrahmen an einer ganz bestimmten Stelle sitzen oder stehen zu müssen für das perfekte Foto.
- Ich nehme mir so viel Zeit, wie ihr braucht. Es spielt keine Rolle, wie viele Pausen wir unterwegs einlegen und ob wir für einen Fotowalk zwei oder vier Stunden brauchen. Ich kalkuliere immer mit ausreichend Puffer und je nachdem, was du mir im Vorgespräch erzählst, eben auch mit nochmal deutlich mehr als ohnehin schon.
- Ihr könnt erstmal ankommen. Wir gehen gemeinsam vom Parkplatz aus los, lernen uns erstmal kennen, dein Hund kann sich so frei wie möglich bewegen, schnüffeln und die Umgebung erkunden. Keiner von euch muss direkt vor der Kamera sitzen und lächeln.
- Ich habe auch nicht die Erwartungshaltung, dass genau an einer bestimmten Stelle ein bestimmtes Foto entstehen muss. Das nimmt sowohl bei dir als auch bei deinem Hund den Druck raus.
- Wir bewegen uns auch zwischen verschiedenen möglichen Fotostopps immer wieder. So entstehen natürliche Shootingpausen und etwaiger Stress kann sofort wieder abgebaut werden.
- Da ich bei meinen Shootings den Fokus auf euer Zusammen-Sein lege und starre Posen weitestgehend vermeide, erledigen sich viele Themen von selbst. Leistungsdruck ist nicht vorhanden, wir schauen immer gemeinsam was geht und was nicht.
Und aus Erfahrung kann ich eben sagen: irgendwas geht immer. 😉
Die besten Fotos entstehen, wenn alle entspannt sind
Und wenn alle entspannt sind, dann klappen oft auch ein paar Wunsch-Motive, die du vielleicht trotzdem vor Augen hast. Die schönen Portraits von deinem Hund (mit dem richtigen Objektiv und viel Abstand klappt das eigentlich immer) genauso wie den ein oder anderen optimalen Schuss von euch beiden zusammen, den du dir dann als Leinwand ins Wohnzimmer hängen kannst.
Pia spricht im Podcast ein Foto an, das sie total schön findet. Es geht darum, dass Zora eine Gruppe anderer Hunde auf weite Distanz verbellt. Und dabei aber an lockerer Leine steht. Etwas, das früher unmöglich gewesen wäre, und deswegen super den Fortschritt der beiden im Training zeigt.
Du siehst es hier:
Das ist natürlich nicht das Foto für die Wand. Aber fürs Herz. Und das persönliche Erinnerungsalbum.
Kleine Anmerkung am Rande: das war auch wirklich das einzige Mal von den dutzenden Malen, die ich dort war, dass überhaupt andere Hunde unterwegs waren. Ein bisschen Murphy’s Law (= alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen), aber Pia hat es zum Glück auch mit Humor genommen und spricht von Zora’s Law, da die sowas wohl magisch anzieht. 😅
Wenn du dir nicht sicher bist, ob ein Fotoshooting mit deinem Hund möglich ist…
… dann sprich mich unbedingt an!
Ich hatte noch keinen einzigen Fall, wo die Besitzer*innen nicht zufrieden mit dem Ergebnis und den gemeinsamen Bildern waren. Im Gegenteil.
Wichtig ist eine gute Vorplanung durch mich und deswegen ein offenes Gespräch. Mich schockt so schnell nichts und wenn du mir ganz offen erzählst, welche Herausforderungen ihr habt, dann kann ich realistisch beurteilen, was machbar ist und was nicht.
Grundsätzlich sollte ein Fotoshooting, egal in welcher Form, eine schöne Sache für dich und deinen Hund sein und euch im besten Fall noch enger zusammenbringen. Und ich tue alles, was ich kann, damit das auch für euch möglich ist. 🤗